In den vergangenen Jahren ist ein deutlicher Anstieg der Kurzsichtigkeit (Myopie) bei Kindern zu beobachten. Eine aktuelle Studie der Universitätsmedizin Mainz liefert neue Erkenntnisse über die Entwicklung dieser Fehlsichtigkeit im Kindesalter und stellt dabei auch Zusammenhänge mit sozialen und erzieherischen Faktoren her. Für Augenoptiker und Fachleute im Gesundheitswesen ergeben sich daraus wichtige Hinweise auf mögliche Präventionsansätze sowie auf künftige Entwicklungen im Versorgungsbedarf.

Zunehmende Häufigkeit von Myopie im Schulalter
Die Gutenberg-Gesundheitsstudie belegt einen signifikanten Anstieg von Myopie bei Kindern im Alter von vier bis zehn Jahren. Im Vergleich zu Daten aus den Jahren 2010 bis 2012 ist der Anteil der kurzsichtigen Kinder heute deutlich höher. Die Untersuchung basiert auf einer umfangreichen Datenerhebung unter mehreren tausend Teilnehmenden und reiht sich ein in eine wachsende Zahl internationaler Studien, die vergleichbare Entwicklungen dokumentieren.
Wissenschaftler führen die Zunahme unter anderem auf veränderte Sehgewohnheiten im Alltag zurück. Insbesondere die vermehrte Naharbeit – etwa durch die Nutzung digitaler Medien oder frühes schulisches Lernen – scheint einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Augen zu haben. Wie wir bereits berichteten, stellt übermäßige Bildschirmzeit ein oft unterschätztes Risiko für die Entwicklung von Myopie bei Kindern dar, wie aktuelle Erkenntnisse über den Einfluss moderner Sehgewohnheiten zeigen. Gleichzeitig zeigen sich Hinweise darauf, dass reduzierte Aufenthaltszeiten im Freien das Risiko für die Entstehung von Kurzsichtigkeit erhöhen.
Bildungshintergrund der Eltern als möglicher Risikofaktor
Ein bemerkenswerter Aspekt der Studie ist die beobachtete Korrelation zwischen dem Bildungsniveau der Eltern und der Häufigkeit von Myopie bei deren Kindern. Kinder aus Familien mit höherem Bildungsstand weisen laut den Studienergebnissen häufiger Kurzsichtigkeit auf. Dies könnte unter anderem mit einer stärkeren Betonung schulischer Förderung und damit verbundener Naharbeit im frühen Kindesalter zusammenhängen.
Dabei betonen die Forscher, dass es sich um statistische Zusammenhänge handelt, die nicht automatisch kausale Beziehungen belegen. Gleichwohl liefern die Daten Anhaltspunkte dafür, dass auch das familiäre Umfeld und die erzieherische Ausrichtung bei der Entwicklung der Sehfähigkeit eine Rolle spielen könnten.
Bedeutung für Prävention und augenoptische Versorgung
Für Fachkräfte in der Augenoptik ergeben sich aus den Studienergebnissen relevante Konsequenzen. So rückt die Bedeutung frühzeitiger Sehtests und gezielter Aufklärung in den Fokus. Auch der Hinweis auf präventive Maßnahmen – wie regelmäßiger Aufenthalt im Freien oder bewusste Pausen bei Naharbeit – könnte künftig verstärkt Eingang in die Beratungspraxis finden.
Angesichts der demografischen Entwicklung und der sich wandelnden Alltagsgewohnheiten ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach kindgerechten Sehhilfen weiter zunehmen wird. Augenoptiker und Optometristen könnten somit vermehrt mit jungen Patientengruppen in Kontakt kommen und sollten sich entsprechend auf die spezifischen Anforderungen dieser Altersgruppe einstellen.
Die aktuelle Datenlage verdeutlicht, dass Kurzsichtigkeit im Kindesalter weiter auf dem Vormarsch ist. Neben genetischen Dispositionen scheinen insbesondere Umwelt- und Erziehungsfaktoren eine zentrale Rolle zu spielen. Für die augenoptische Branche ergeben sich daraus neue Herausforderungen – aber auch Chancen, sich als kompetenter Ansprechpartner in Prävention, Beratung und Versorgung zu positionieren.
Liang J et al. (2025), “Global prevalence, trend and projection of myopia in children and adolescents from 1990 to 2050: a comprehensive systematic review and meta-Analysis”