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Sehstörungen nach Schlaganfall: neue Leitlinie der European Stroke Organisation

Die European Stroke Organisation (ESO) hat kürzlich eine neue evidenzbasierte Leitlinie zur Versorgung visueller Beeinträchtigungen nach einem Schlaganfall veröffentlicht. Die Empfehlungen richten sich an Fachärzte aus der Schlaganfallversorgung, an Rehabilitationsdienste sowie an augenheilkundliche Fachbereiche, die in die Betreuung von Betroffenen eingebunden sind. Ziel ist es, die häufig auftretenden Sehstörungen bei Schlaganfallpatienten systematischer zu erkennen, zu diagnostizieren und therapiebegleitend zu berücksichtigen.

Neue Leitlinie der European Stroke Organisation zu Sehstörungen nach Schlaganfall
Bildquelle: © Elen Sher / Unsplash

Sehstörungen zählen zu den häufigsten neurologischen Folgen eines Schlaganfalls. Verschiedene internationale Studien deuten darauf hin, dass ein erheblicher Teil der Patienten in der Akut- oder Rehabilitationsphase unter Beeinträchtigungen der visuellen Wahrnehmung leidet. Zu den typischen Störungen zählen Gesichtsfeldausfälle, gestörte Augenbewegungen, reduzierte Sehschärfe sowie Schwierigkeiten bei der visuellen Raumorientierung. Die bisher uneinheitliche Versorgungslage und die unklare Rollenverteilung zwischen den beteiligten Disziplinen führten in der Vergangenheit jedoch häufig zu einer verzögerten Diagnostik und unvollständigen Therapieplanung.

Die neue Leitlinie der ESO wurde auf Grundlage umfangreicher systematischer Literaturauswertungen entwickelt. Sie enthält praxisnahe Empfehlungen für das Screening visueller Störungen im Frühstadium, möglichst innerhalb der ersten Woche nach einem akuten Schlaganfallereignis. Dabei wird betont, dass nicht nur neurologische Fachkräfte, sondern auch optometrisch oder orthoptisch geschultes Personal in die Untersuchung eingebunden werden sollten, um die visuelle Funktionsfähigkeit differenziert zu beurteilen. Frühzeitige Screeningmaßnahmen gelten als entscheidend, um Folgestörungen zu vermeiden und die Rehabilitationsprognose zu verbessern.

Früherkennung und optometrische Mitwirkung: Sehstörungen nach Schlaganfall gezielt diagnostizieren und versorgen

Auch hinsichtlich der therapeutischen Möglichkeiten bietet die Leitlinie eine strukturierte Orientierung. Verschiedene Ansätze, wie kompensatorische Trainingstechniken bei Gesichtsfeldausfällen oder visuelle Rehabilitationsmethoden zur Behandlung von Augenbewegungsstörungen, werden als wirksam eingestuft. Darüber hinaus wird die Bedeutung individueller Anpassungen optischer Hilfsmittel betont, etwa zur Verbesserung der Sehschärfe oder der Leseleistung. In besonderen Fällen, etwa bei vaskulär bedingten akuten Sehausfällen, können auch medikamentöse Interventionen in Erwägung gezogen werden. In allen Bereichen empfiehlt die Leitlinie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, die sowohl medizinische als auch augenoptische Fachkompetenzen einbezieht.

Für die augenoptische Branche ergibt sich aus der Leitlinie eine verstärkte Relevanz in der postakuten Versorgung von Schlaganfallpatienten. Augenoptiker können insbesondere bei der Früherkennung funktionaler Sehstörungen, bei der optischen Korrektur und bei der Auswahl geeigneter Sehhilfen einen wichtigen Beitrag leisten. Auch die Abstimmung mit neurologischen und rehabilitativen Einrichtungen gewinnt an Bedeutung, um die Integration optometrischer Maßnahmen in übergeordnete Therapiekonzepte zu ermöglichen.

Die Autoren der Leitlinie verweisen darauf, dass in einigen Bereichen weiterer Forschungsbedarf besteht. Insbesondere die Validierung diagnostischer Verfahren sowie die langfristige Wirksamkeit bestimmter Rehabilitationsmethoden sollten durch künftige Studien genauer untersucht werden. Gleichzeitig bietet die neue Leitlinie eine belastbare Grundlage für die Weiterentwicklung qualitätsgesicherter Versorgungspfade und interprofessioneller Netzwerke.

Die Veröffentlichung der ESO-Leitlinie kann somit als ein bedeutsamer Schritt zur Stärkung der systematischen Versorgung von Menschen mit Sehstörungen nach einem Schlaganfall betrachtet werden. Für Augenoptiker bietet sie konkrete Anhaltspunkte für eine stärkere Einbindung in die neurologisch-rehabilitative Nachsorge und eröffnet Möglichkeiten zur vertieften interdisziplinären Zusammenarbeit.

Fiona J Rowe et al. (2025), “European Stroke Organisation (ESO) guideline on visual impairment in stroke