In Dänemark haben vier Patienten nach der Anwendung der Medikamente Wegovy und Ozempic schwere Sehschäden erlitten. Die staatliche Behörde für Patientenschäden, Patienterstatningen, hat den Betroffenen insgesamt rund 107.000 Euro an Entschädigungen zugesprochen. Diese Fälle werfen neue Fragen zu seltenen Nebenwirkungen des Wirkstoffs Semaglutid auf, der sowohl in Abnehm- als auch in Diabetesmedikamenten enthalten ist.

„Abnehmspritzen“: Risiken und Langzeitfolgen
Wie wir bereits berichteten, können GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) wie Semaglutid und Liraglutid das Risiko für dauerhafte Sehprobleme erhöhen. Studien der Augenklinik der University of Alabama zeigen, dass das Risiko für eine Schädigung des Sehnervs, die nicht-arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie (NAION), besonders bei Personen ohne Diabetes oder Adipositas deutlich erhöht ist. Für Semaglutid wurde dabei eine Odds Ratio von 2,89 errechnet, bei anderen GLP-1-RA liegt die Odds Ratio bei etwa 2,03. Diabetiker zeigen nur ein leicht erhöhtes Risiko, bei adipösen Patienten bestand kein signifikanter Zusammenhang.
NAION kann plötzlichen, schmerzlosen Sehverlust, Veränderungen des Farbsehens und erhöhte Lichtempfindlichkeit verursachen. Ohne frühzeitige Diagnose und Behandlung sind die Schäden meist irreversibel und beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich. Patienten, die GLP-1-RA einnehmen, sollten bei ersten Anzeichen von Sehveränderungen sofort einen Augenarzt aufsuchen. Die wachsende Beliebtheit von „Abnehmspritzen“ auch außerhalb medizinischer Indikationen erfordert eine umsichtige ärztliche Begleitung und klare Kommunikation der Risiken.
NAION als seltene Nebenwirkung von Semaglutid
Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) bestätigte, dass NAION eine sehr seltene Nebenwirkung von Semaglutid-haltigen Medikamenten sein kann, bei etwa einem von 10.000 Patienten. Bei plötzlichem Sehverlust oder rasch zunehmender Sehverschlechterung empfiehlt die EMA, sofort medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen und gegebenenfalls die Semaglutid-Gabe zu beenden.
In Dänemark sind 43 Entschädigungsanträge im Zusammenhang mit Semaglutid gestellt worden, von denen vier anerkannt wurden. Die Komplexität der Fälle liegt auch in der Häufigkeit von Vorerkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck, die ebenfalls das Risiko für NAION erhöhen. Die Zulassung von Wegovy und Ozempic in Deutschland macht eine informierte Risikoaufklärung durch Augenärzte, Optiker, Hausärzte und Diabetologen besonders wichtig.
Früherkennung von NAION: Symptome und Handlungsempfehlungen
Typische Symptome sind plötzliche oder rasch fortschreitende Sehverluste. Patienten sollten bei solchen Anzeichen unverzüglich einen Augenarzt aufsuchen. Bei durch Semaglutid ausgelöster NAION können Ansprüche auf staatliche Entschädigung oder rechtliche Schritte geprüft werden.
Die dänischen Entschädigungsfälle zeigen, dass Semaglutid-haltige Medikamente trotz ihrer sehr geringen Häufigkeit ernsthafte Nebenwirkungen am Sehnerv verursachen können. Für Augenärzte, Optiker und behandelnde Ärzte ist es entscheidend, Patienten frühzeitig über mögliche Symptome von NAION aufzuklären und bei Verdacht umgehend schnelle medizinische Maßnahmen einzuleiten. Aktuelle Studien verdeutlichen dabei, dass besonders Personen ohne Diabetes oder Adipositas ein erhöhtes Risiko haben, was eine differenzierte Risikoabwägung erfordert.
Sehverlust durch Abnehm-Medikament: Wie wird das in Deutschland gehandhabt?
In Deutschland haben Personen, die durch eine Abnehmspritze einen Augenschaden erleiden, grundsätzlich Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegenüber dem pharmazeutischen Hersteller. Grundlage hierfür sind das Arzneimittelgesetz (AMG) sowie das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG). Voraussetzung für eine erfolgreiche Geltendmachung der Ansprüche ist der Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Medikament und dem eingetretenen Schaden – dies erfordert in der Regel eine gerichtliche Durchsetzung. Anders als in Dänemark existiert in Deutschland keine spezielle staatliche Entschädigungsregelung für Arzneimittelschäden. Schadensersatzansprüche werden überwiegend zivilrechtlich geltend gemacht.
Die Entwicklungen unterstreichen die Notwendigkeit einer sorgfältigen ärztlichen Begleitung während der Anwendung von GLP-1-Rezeptoragonisten, um langfristige Augenschäden bestmöglich zu vermeiden und die Patientensicherheit zu gewährleisten. Gleichzeitig sollte der potenzielle Nutzen der Semaglutid-Therapie stets gegen das Risiko abgewogen werden.
Zum Nachlesen: “Dänemark: Entschädigungen nach Augenkrankheit durch Abnehmspritze“, Deutsches Ärzteblatt (2025)



