Myopie nimmt weltweit zu – besonders bei jungen Menschen. Das ZEISS Vision Science Lab in Tübingen untersucht, wie visuelle Reize das Augenwachstum beeinflussen und bringt neue Einsichten in die Ursachen von Kurzsichtigkeit.

Die globale Zunahme von Myopie stellt Augenärzte und Augenoptiker vor wachsende Herausforderungen. Um langfristig wirksame Strategien zur Prävention und Behandlung zu entwickeln, sind fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse unerlässlich. Das ZEISS Vision Science Lab, ein interdisziplinäres Forschungsinstitut des Universitätsklinikums in Tübingen, widmet sich genau diesem Ziel: der grundlegenden Erforschung visueller Prozesse, die das Längenwachstum des Auges und damit die Entstehung von Myopie beeinflussen.
Wie entsteht Myopie? Grundlagenforschung zum Augenlängenwachstum
Im Mittelpunkt der aktuellen Arbeiten steht die Frage, wie das menschliche Auge Reize aus seiner visuellen Umgebung verarbeitet – und wie diese Reize die Form und das Wachstum des Augapfels beeinflussen. Ein übermäßiges Längenwachstum des Auges führt dazu, dass Lichtstrahlen nicht mehr korrekt auf der Netzhaut gebündelt werden. Die Folge ist eine Fehlsichtigkeit, bei der ferne Objekte nur verschwommen wahrgenommen werden.
Die Forscher des ZEISS Vision Science Lab analysieren diese Prozesse auf mikroskopischer und neuronaler Ebene. Dabei werden biologische, optische und computergestützte Methoden kombiniert, um das Zusammenspiel von Netzhaut, Sehnerv und Gehirn besser zu verstehen.
Visuelle Reize und neuronale Reaktion: Schlüsselmechanismen im Sehvorgang
Ein wesentlicher Forschungsansatz ist die Untersuchung der Rolle von Bildqualität, Unschärfe und Kontrast in der frühkindlichen Sehentwicklung. Welche Signale führen zu einer korrekten Fokussierung des Auges – und welche begünstigen eine unkontrollierte Verlängerung des Augapfels?
Diese Fragestellung gewinnt an Bedeutung, da insbesondere bei Kindern mit hoher Naharbeit (z. B. durch intensive Nutzung digitaler Medien) ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Myopie besteht. Das ZEISS Vision Science Lab erforscht dabei, wie diese visuellen Umweltfaktoren mit biologischen Reaktionsmechanismen im Auge interagieren.
Grundlagen für künftige Innovationen im Myopie-Management
Langfristiges Ziel der Forschung ist es, die gewonnenen Erkenntnisse in praktische Anwendungen zu überführen. Dazu zählen neue Brillenglasdesigns, diagnostische Verfahren und optometrische Beratungsansätze, die auf wissenschaftlich fundierten Grundlagen basieren. Zwar handelt es sich aktuell um Grundlagenforschung, doch die Relevanz für künftige Produktentwicklungen in der augenoptischen Versorgung ist bereits absehbar.
Durch die enge Zusammenarbeit mit ZEISS ergeben sich darüber hinaus Synergien für die industrielle Anwendung – insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung individueller Sehlösungen für Kinder und Jugendliche mit fortschreitender Myopie.
Die Ergebnisse des ZEISS Vision Science Lab vertiefen das Verständnis der Myopie-Entstehung und schaffen eine Basis für evidenzbasierte Ansätze in der augenoptischen Praxis. Augenoptiker können von wissenschaftlich fundierten Perspektiven für die Myopie-Prävention profitieren.