Es war ein ambitioniertes Ziel: Bis 2030 wollte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Versorgung mit Sehhilfen weltweit so weit verbessern, dass unkorrigierte Fehlsichtigkeiten – eine der häufigsten Ursachen für Sehbehinderungen – deutlich zurückgehen. Doch aktuelle Daten zeigen: Der Fortschritt wird vermutlich nicht ausreichen.

eREC-Ziele bis 2030 werden voraussichtlich nicht erreicht
Ein systematischer Review, veröffentlicht in The Lancet Global Health, analysiert den aktuellen Stand der sogenannten „effective refractive error coverage“ (eREC) – also dem Anteil der Menschen mit korrekturbedürftigem Refraktionsfehler, die durch Brillen, Kontaktlinsen oder refraktive Chirurgie eine effektive Sehkraft erreichen.
Das Ziel: Länder, die bis dato einen eREC von unter 60 Prozent vorweisen konnten, sollten diesen bis 2030 um mindestens 40 Prozentpunkte steigern, während Länder mit einem eREC von über 60 Prozent möglichst die 100 Prozent erreichen sollten. Dieses Ziel bezieht sich auf die beiden Hauptformen der Fehlsichtigkeit: Refraktionsfehler in der Ferne – also Myopie und Hyperopie – und Presbyopie bzw. Alterssichtigkeit.
Die Realität: 2023 lag der globale Durchschnitts-eREC lediglich bei 65,8 % – nur gut sechs Prozentpunkte mehr als 2010. Geht der Fortschritt in diesem Tempo voran, ist das WHO-Ziel laut Kritikern bis 2030 kaum realistisch.
Weltweit Millionen mit vermeidbarer Sehbeeinträchtigung
Die Zahlen machen deutlich, worum es geht: Weltweit sind rund 3,7 Millionen Menschen durch unkorrigierte Refraktionsfehler im Sinne des Gesetzes blind. Weitere 157 Millionen sind moderat bis schwer sehbehindert. Hinzu kommen etwa 510 Millionen Menschen mit unzureichend korrigierter Presbyopie, die im Alltag deutlich eingeschränkt sind – besonders beim Nahsehen.
Dabei ließe sich ein Großteil dieser Einschränkungen durch vergleichsweise einfache Maßnahmen beheben. Genau das ist der Ansatz des eREC-Indikators, der sowohl die Verfügbarkeit als auch die Qualität der refraktiven Versorgung misst.
Große Unterschiede zwischen Regionen und Geschlechtern
Die Metaanalyse stützt sich auf Daten aus 237 bevölkerungsbasierten Studien in 76 Ländern mit über 815.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – und zeigt deutliche regionale Unterschiede: Während Länder mit hohem Einkommen auf eine eREC von 84 % kommen, liegt der Wert in Subsahara-Afrika bei nur 28,3 %. Immerhin: Dort wurde seit dem Jahr 2000 mit einem Anstieg von über 60 % der stärkste Fortschritt verzeichnet, gefolgt von Nordafrika und dem Nahen Osten.
Ein weiteres Thema ist der geschlechtsspezifische Unterschied: Frauen sind weltweit etwas schlechter versorgt als Männer (64,3 % vs. 67,4 %).
Korrektur von Fehlsichtigkeit: Ein Blick auf die bevölkerungsreichsten Länder
Besondere Aufmerksamkeit gilt in der Analyse 14 Ländern mit über 100 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Für Äthiopien prognostizieren die Forschenden für 2030 die niedrigsten Versorgungsraten (27,8 % für Männer, 24,6 % für Frauen). Am besten schneiden Russland (87,6 % / 85,1 %) und die USA (85,1 % / 82,7 %) ab.
Katarakt-OP allein reicht nicht – Brillen bleiben entscheidend
Auch in der Kataraktversorgung, der weltweit häufigsten chirurgischen Behandlung von Sehbehinderungen, zeigt sich eine Lücke: Ein Drittel der operierten Personen erreicht mangels anschließender refraktiver Korrektur nicht das potenziell mögliche Sehvermögen. Ein weiteres Indiz dafür, dass gute refraktive Versorgung ein unverzichtbarer Bestandteil ganzheitlicher Augengesundheit ist.
Globale Korrektur von Fehlsichtigkeit: Fortschritte ja – aber zu langsam
Die globale Entwicklung in der refraktiven Versorgung ist zweifellos vorhanden – aber sie reicht nicht aus, um das WHO-Ziel bis 2030 zu erreichen. Besonders in Ländern mit niedrigem Einkommen sowie in benachteiligten Bevölkerungsgruppen besteht weiterhin erheblicher Handlungsbedarf. Für Fachleute in der Augenoptik und Ophthalmologie bedeutet das: Ihre Arbeit bleibt zentral – nicht nur für gutes Sehen, sondern für mehr Lebensqualität weltweit.
Quelle: https://www.thelancet.com/journals/langlo/article/PIIS2214-109X(25)00194-9/fulltext