Mikroplastik entsteht ständig und überall, auch im Augenoptik-Alltag – zum Beispiel bei der Bearbeitung von Brillengläsern. Das Problem: Mikroplastik zählt zu den drängendsten Umweltproblemen unserer Zeit. Diese Partikel sind kleiner als fünf Mikrometer und dadurch für das Auge kaum sichtbar. Und sie können langfristige ökologische und gesundheitliche Folgen haben. Nun hat der Diplom-Ingenieur Reinhard Müller eine Methode entwickelt, mit der Mikroplastik beim Schleifen von Brillengläsern abgefangen werden kann.

Mikroplastik im Augenoptik-Betrieb: unterschätztes Problem
Während Bilder von schwimmenden Kunststoffabfällen in den Weltmeeren regelmäßig für Aufsehen sorgen, geraten die feinsten Kunststoffpartikel oft aus dem Blickfeld. Dabei ist gerade Mikroplastik langfristig gefährlich für Umwelt und Gesundheit: Die Kunststoffpartikel sind kaum sichtbar, reichern sich aber in Gewässern, Böden und in der Nahrungskette an. Dort können sie Ökosysteme schädigen, Schadstoffe transportieren und langfristig gesundheitliche Risiken für Mensch und Tier bergen.
Mikroplastik entsteht auch im täglichen Augenoptik-Betrieb: Beim Schleifen von Kunststoffgläsern bindet Wasser den entstehenden Abrieb. Dieses Schleifwasser wird in vielen Werkstätten ohne Aufbereitung in die Kanalisation geleitet – mitsamt unzähligen mikroskopisch kleinen Kunststoffpartikeln. Nun hat sich der Diplom-Ingenieur und Augenoptiker Reinhard Müller aus Blaufelden dieser Problematik angenommen und nach einer technischen Lösung gesucht, um Mikroplastik möglichst frühzeitig aus dem Prozess zu entfernen.
Mikroplastik im Schleifwasser
Nach Angaben von Reinhard Müller entstehen beim Schleifen eines Brillenglases rund fünf Gramm Mikroplastik. Die Partikel mit einer Größe zwischen 0,002 und 0,005 Millimetern trüben das Wasser deutlich ein. Viele Betriebe entsorgen dieses Schleifwasser direkt, wodurch sich die Partikel, die wegen ihrer geringen Größe von Kläranlagen nicht herausgefiltert werden können, letztlich in Böden und Gewässern anreichen.
Studien, unter anderem des WWF, zeigen, dass Mikroplastik längst Teil der menschlichen Nahrungskette ist. Demnach nimmt ein Mensch weltweit durchschnittlich etwa fünf Gramm Mikroplastik pro Woche über Lebensmittel auf. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Verantwortung einzelner Gewerke, Emissionen an der Quelle zu reduzieren, durchaus an Bedeutung.
Die Lösung: Elektrolyse zur Abwasserreinigung
Nach einer mehrjährigen Entwicklungs- und Testphase kann Müller mit M-Ely ein System präsentieren, das Mikroplastik direkt aus dem Schleifwasser entfernt. Der Name steht für „Mikroplastik-Elektrolyse“. Das Verfahren nutzt eine im Niedervoltbereich angelegte Gleichspannung, die eine Elektronenwanderung zwischen Anode und Kathode auslöst.
Durch diesen elektrochemischen Prozess ziehen sich die Kunststoffpartikel gegenseitig an, verklumpen und sinken zu Boden. In zahlreichen Versuchen wurden Stromstärke, Spannung und Elektrodengeometrie so optimiert, dass die Abscheidung der Partikel energieeffizient und innerhalb kurzer Zeit erfolgt. Als Elektrodenmaterial wird Aluminiumfolie eingesetzt.
M-Ely im Fachgeschäft: So funktionierts
Kern des Systems ist eine kompakte Steuerungsbox mit Strom- und Spannungsanzeige. Ergänzt wird sie durch einen externen Auffangbehälter – bewährt hat sich laut Müller eine transparente Kunststoffbox mit rund 60 Litern Volumen, in der das Schleifwasser gesammelt wird. Die Inbetriebnahme erfordert keine speziellen Fachkenntnisse: Das Gerät kann etwa über eine Zeitschaltuhr am Abend für rund eine Stunde aktiviert werden. Über Nacht setzen sich die gebundenen Mikroplastikpartikel am Boden ab, und das darüberliegende Wasser klärt sich sichtbar.
Laboranalysen zeigen, dass sich das mit M-Ely behandelte Wasser erneut als Prozesswasser eignet. Auf diese Weise lässt sich nicht nur Mikroplastik vom Abwasser fernhalten, sondern auch der Wasserverbrauch im Betrieb senken. Der am Boden entstehende Schlamm kann im Behälter verbleiben, solange die Pumpe klares Wasser ansaugt. Nach bisherigen Praxiserfahrungen genügt eine Teilentleerung etwa alle zwei Monate. Nach dem Trocknen kann der Rückstand unbedenklich über den Restmüll entsorgt werden. Eine weitergehende stoffliche Verwertung, etwa durch Pyrolyse, wäre ökologisch sinnvoll, scheitert derzeit jedoch an den geringen Mengen, die in einzelnen Werkstätten anfallen.
Markteinführung, Kosten und Engagement
Die ersten Geräte wurden im Betrieb Optik Müller in Blaufelden montiert. Sollte die Nachfrage steigen, plant Reinhard Müller, externe Partner in die Produktion einzubinden. Der aktuelle Verkaufspreis von M-Ely liegt bei rund 550 Euro netto. Die laufenden Kosten für Strom und Wasser bewegen sich laut Hersteller im niedrigen einstelligen Eurobereich pro Jahr. Zudem ist mit jedem verkauften Gerät eine Spende von 100 Euro an den Entwicklungsdienst Deutscher Augenoptiker verbunden. Der Verein unterstützt ehrenamtliche Projekte, insbesondere in afrikanischen Ländern, etwa bei der Versorgung mit Sehhilfen sowie bei der Ausbildung und Ausstattung lokaler Werkstätten.
M-Ely zeigt, dass technische Lösungen zur Reduktion von Mikroplastik auch im handwerklichen Alltag umsetzbar sind. Augenoptikbetriebe erhalten damit eine praktikable Möglichkeit, Umweltbelastungen im eigenen Wirkungsbereich zu minimieren und Abwasser bereits vor Eintritt in die Kanalisation zu entlasten. Der Ansatz verdeutlicht zugleich, dass Nachhaltigkeit in der Augenoptik nicht nur eine Frage von Materialien und Lieferketten ist, sondern auch von Prozessen innerhalb der Werkstatt.





