Immer weniger junge Menschen entscheiden sich für eine Ausbildung im augenoptischen Handwerk. Gleichzeitig steigt der Bedarf an qualifiziertem Fachpersonal. Was sich seit Jahren abzeichnet, wird durch aktuelle Zahlen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie Einschätzungen des Zentralverbands der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) belegt. Die Branche muss reagieren – mit neuen Konzepten, gezielter Ansprache und strategischer Nachwuchssicherung.

Ausbildung in der Augenoptik: Zahlen rückläufig, Nachwuchs bleibt aus
Laut dem Berufsbildungsbericht 2024 des BMBF ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in vielen Handwerksberufen rückläufig. Auch die Augenoptik ist hiervon betroffen. So wurden 2024 bundesweit nur noch 2.328 neue Ausbildungsverträge im augenoptischen Handwerk abgeschlossen, während die Gesamtzahl der Auszubildenden bei etwa 6.460 lag. Die Ausbildungszahlen im augenoptischen Handwerk haben erneut abgenommen – sowohl bei den Eintritten als auch bei den bestandenen Abschlussprüfungen.
Besonders problematisch ist zudem die hohe Quote der vorzeitig gelösten Ausbildungsverträge, die aktuell bei rund 35 % liegt. Diese Vertragslösungsquote wird in aktuellen Berichten als alarmierend bewertet und verschärft die Nachwuchsproblematik zusätzlich.

Die Ursachen sind vielfältig: Der demografische Wandel reduziert die Zahl der potenziellen Schulabgänger, zudem orientieren sich viele junge Menschen eher in Richtung akademischer Bildungswege. Auch die anhaltenden Nachwirkungen der Corona-Pandemie spielen weiterhin eine Rolle, etwa durch verpasste Berufsorientierungsmöglichkeiten oder eine verzögerte Rückkehr zur betrieblichen Normalität.
Ein weiterer Aspekt sind die veränderten Erwartungen junger Menschen an Ausbildung und Beruf. Aspekte wie Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten oder langfristige Entwicklungsmöglichkeiten spielen eine zunehmend wichtige Rolle bei der Berufswahl. Gleichzeitig hat sich die Wahrnehmung vieler handwerklicher Berufe verändert. Die Augenoptik – trotz ihrer Verbindung von Technik, Beratung und Gesundheitsversorgung – gerät dabei schnell in den Schatten vermeintlich „modernerer“ Berufsbilder. Hinzu kommen strukturelle Faktoren: In ländlichen Regionen fehlen teilweise Ausbildungsbetriebe, während Betriebe in urbanen Zentren mit starker Konkurrenz um Nachwuchskräfte konfrontiert sind.
Fachkräftesicherung in der Augenoptik: Verbände und Politik entwickeln neue Ansätze
Der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen reagiert auf die aktuelle Lage mit verstärktem Engagement für die Fachkräftesicherung. In einer aktuellen Veröffentlichung weist der ZVA darauf hin, dass der zunehmende Mangel an ausgebildeten Fachkräften bereits jetzt spürbare Auswirkungen auf die Branche hat – etwa bei der Besetzung offener Stellen oder bei der Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung mit augenoptischen Leistungen. Vor diesem Hintergrund will der Verband das Thema gezielt adressieren: Neben der klassischen Nachwuchsgewinnung durch Schulabgänger sollen auch neue Zielgruppen wie Quereinsteiger, Studienabbrecher oder internationale Fachkräfte stärker angesprochen werden.
Als ein möglicher Lösungsansatz gelten alternative Bildungs- und Qualifizierungsmodelle. Dazu zählen etwa modulare Weiterbildungen, Teilqualifikationen oder Umschulungen, die auch für Menschen mit anderen beruflichen Hintergründen zugänglich sind. Auch die Digitalisierung kann einen Beitrag leisten – sowohl in der Ausbildung (z. B. durch virtuelle Lernformate) als auch im Betriebsalltag, etwa bei der Integration neuer Technologien und digitaler Anwendungen in Beratung und Refraktion. Ein zukunftsorientiertes Berufsbild, das technologische und gesundheitliche Aspekte miteinander verknüpft, könnte neue Anreize schaffen und das Image des Berufs stärken.

Auf bundespolitischer Ebene betont das BMBF im Berufsbildungsbericht die Notwendigkeit, die berufliche Bildung gezielt zu fördern. Programme wie „Jobstarter Plus“, „Ausbildungsplätze sichern“ oder Maßnahmen im Rahmen der Allianz für Aus- und Weiterbildung sollen Betriebe bei der Suche nach Auszubildenden und bei der Ausgestaltung attraktiver Ausbildungsangebote unterstützen. Auch die frühzeitige Berufsorientierung an Schulen soll weiter ausgebaut werden, um Schüler bereits vor dem Abschluss für duale Ausbildungswege zu sensibilisieren.
Zukunft der Augenoptik: Strategien gegen den Fachkräftemangel gefordert
Die Augenoptik steht vor einem strukturellen Wandel. Die sinkenden Ausbildungszahlen sind nicht allein ein branchenspezifisches Problem, sondern Teil eines übergreifenden Trends. Es zeigen sich dennoch für die Augenoptik spezifische Herausforderungen – aber auch konkrete Chancen. Um die Versorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu erhalten, ist ein strategisches Vorgehen erforderlich. Dazu gehören nicht nur gezielte Nachwuchskampagnen und eine verbesserte Außendarstellung des Berufsbildes, sondern auch neue Bildungswege, Kooperationen mit Bildungseinrichtungen und politische Unterstützung.
Langfristig wird es entscheidend sein, das Berufsbild Augenoptik als attraktives, zukunftsorientiertes Arbeitsfeld zu positionieren – mit vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten und gesellschaftlicher Relevanz. Nur so kann es gelingen, den Fachkräftebedarf nachhaltig zu decken und das augenoptische Handwerk zukunftsfest aufzustellen.
Quellen:
- Angelika Miller (2025) “Berufsbildungsbericht: Weniger Azubis und Absolventen, aber neue Chancen“
- Berufsbildungsbericht 2025 vom Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA)
- ZVA: „Fachkräftebedarf in der Augenoptik im Fokus“ (2025)
- “ZVA Auswertung: So entwickelte sich die Augenoptik in 2024“
- “ZVA: Solide Entwicklung der Augenoptikbranche in 2024“